…ausgerechnet am Sonntag

An einem verregneten Sonntagnachmittag schellt es unerwartet an meiner Wohnungstür. Ich öffne und das Drama beginnt! Mit den Worten „Der Planet ist kaputt, ich musste fliehen!“ begrüßt mich mein ebenfalls schwuler Kumpel Steffen. Ich schaue ihn fragend an und ahne schon, was er mir mit seinen apokalyptisch klingenden Worten sagen möchte. Gayromeo, oder auch „Planet Romeo“ genannt, hat einen Serverausfall – und das ausgerechnet an einem Sonntag.

Landläufig wird diese Internetplattform auch als schwules Einwohnermeldeamt bezeichnet, denn wer dort als schwuler Mann nicht angemeldet ist, den scheint es auch im wahren Leben nicht zu geben. „GR“ ist dabei ausschließlich für Gays, also Schwule, und Bisexuelle, Schwule im Frühstadium ihrer Homosexualität, gedacht und soll, wie auch andere soziale Netzwerke dem leichteren Knüpfen von Kontakten dienen. Wobei Männer dort nicht nur Freunde zum Sekt trinken suchen. Aber das sollte nicht mein Problem sein.

Die Onlinesucht

Mein Problem sitzt in meiner Küche, raucht hektisch eine Zigarette nach der anderen und trinkt meinen Sonntagskaffee. Auf meine Frage hin, was denn nun sein Problem sei, klärt mich Steffen endlich auf. Da ja heute Sonntag sei und auch alle seine Freunde bei „Romeo“ angemeldet seien, wäre nun niemand da. Außerdem hätte sich ja auch vielleicht „etwas Nettes“ finden können. Und an dem Punkt wird mir klar, wieso er flüchten musste. Der Planet Romeo hat ihn in eine Onlinesucht getrieben, die ihn dazu zwingt täglich und stundenlang virtuelle Kontakte aufrecht zu erhalten oder neue zu finden.

Das macht mir Angst! Denn die allermeisten Schwulen gehen doch heutzutage eigentlich ganz lebensfroh durch die Welt, treffen sich, anstelle dreckiger Hinterhöfe, ganz offen im Café, veranstalten lustige Partys oder schockieren ältere Mitbürger, indem sie sich in aller Öffentlichkeit küssen oder Händchen halten. Und wer sitzt in meiner Küche? Ein 27-jahriger Schwuler, dessen Planet kaputt ist. Danke Welt!

Meine Rettung

Während mir Steffen die Ohren volljammert frage ich mich, was wohl die anderen Jungs gerade machen, deren Planet auch kaputt ist. Besetzen sie auch eine Zufluchtsküche oder bleiben sie einfach starr vor Schock vor ihrem Rechner sitzen und klicken permanent F5? Egal, Hauptsache sie kommen jetzt nicht alle zu mir!

Nach fast zwei Stunden Gejammer und Bemitleiden kommt endlich meine Rettung, der Planet ist wieder repariert. Und so verschwindet mein Besuch genauso schnell wie er gekommen war zurück in seine Welt. Mir bleibt nur die Erkenntnis, dass ich wirklich froh sein kann, nicht in einer solchen Abhängigkeit zu leben. Am liebsten ist mir doch immer noch der kleine Club an der Ecke, mein Planet Boys’n’Beats. Und spätestens zum Club-Geburtstag am 17. Juli sieht man mich dort auch wieder auf der Tanzfläche. Ich werde mal Steffen fragen, ob er auch mitkommt!

Euer Micha


Unser Micha nimmt Euren Club mal etwas genauer unter die Lupe und schreibt Euch monatlich, welche Neuigkeiten und Kuriositäten ihm so aufgefallen sind. Michas Kolumne könnt Ihr Euch auch im aktuellen Magazin vom  Port01 lesen.

Kategorien::