Mit meinem Wochenendeinkauf stehe ich gelangweilt an der Supermarktkasse, als ich plötzlich wieder Zeuge einer dieser unqualifizierten Bemerkungen werde, die mich echt auf die Palme bringen. Vor mir ein Pärchen so um die Vierzig. Sie zu ihm: “Guck mal da! Der ist doch auch schwul!” Ich schaue ganz aufgeregt ihrem Blick hinterher und sehe alles, aber keinen Schwulen. Okay, der Typ, der dort lang läuft, ist ein echt gut gekleideter und gepflegter Mann und sicher wäre er eine Bereicherung für die Szene, aber ist er deshalb gleich schwul? Ich bin fast gewillt der Mutti vor mir auf die Schulter zu tippen und zu sagen, wenn Sie einen Schwulen sehen wollen, er steht hinter ihnen.
Im Auto überlege ich, was einen für andere eigentlich schwul macht und woher manche ihre Erkenntnis nehmen es so genau zu wissen? Wer zum Beispiel hat es bei Herrn Wowereit oder Ricky Martin gewusst? Geahnt und gehofft, vor allem beim letzteren haben es ja viele. Aber woher hat die breite Masse ihre Vorstellung wie ein Schwuler auszusehen hat? Sind es Überlieferungen über Generationen, die einem quasi in die Wiege gelegt werden? Ich denke nicht. Vielmehr sind es doch die Medien, die meist auf humoristische Art und Weise und weismachen wollen, wie sich gleichgeschlechtlich liebende Menschen verhalten, wie sie ausschauen und ihren Alltag verbringen. Mittlerweile tut mir der schnucklige Typ fast leid, denn nur weil er Stil beweist und dazu gut ausschaut wird er gleich für schwul gehalten. Komische Welt!
Klischees
So schnell stecken wir also in der Schublade und unterliegen als Schwule den weit verbreiteten Klischees, die man ja kennt. So sind wir alle zickig und laut, sprechen mit nasaler Stimme, laufen mit angewinkeltem Handgelenk herum, sind natürlich immer Friseur oder Kosmetiker und trinken den ganzen lieben schwulen Tag Prosecco. Als Kinder haben wir mit Puppen gespielt und im Knabenchor gesungen, tragen nur rosafarbene Sachen und stehen immer in der eigenen Parfumwolke. Leute, das ist definitiv nicht so, ich habe nie in einem Knabenchor gesungen!
Das stärkere Geschlecht
Aber nur über Jungs zu sprechen ist auch langweilig. Also wie schaut es denn bei den Mädels aus, die auf Mädels stehen. Die werden gern als “Kampflesben” bezeichnet, vor allem von den zartbesaiteten Jungs, die sich in ihrer gering vorhandenen Männlichkeit beschnitten fühlen. Die beschriebene Lesbe tritt meist mit kurzen Haaren, maskulinen Zügen und einem kräftigem Händedruck auf. Allem Anschein nach sind sie männerfressende Bestien und haben meist Berufe wie Soldatin, KFZ-Mechanikerin oder Metzgerin – wie männlich!
Wie so oft scheinen die Welten vertauscht zu sein, die Mädchen sind zu Jungs geworden und umgekehrt die Jungs zu Damen. Doch wer nun die besseren Schminktipps auf Lager hat oder den stärkeren Bartwuchs, darüber kann sich ein jeder selbst ein Bild machen. Denn zusammen wird gerne getanzt, gefeiert und getratscht im BOYS´n`BEATS. Und um meine verbliebene Männlichkeit zu zeigen, gehe ich immer mittwochs zum Karaokeabend und singe dort mit tiefer, männlicher Stimme “Cheri Cheri Lady”. Und das ist ganz sicher ganz unschwul.
Euer Micha
Unser Micha nimmt Euren Club mal etwas genauer unter die Lupe und schreibt Euch monatlich, welche Neuigkeiten und Kuriositäten ihm so aufgefallen sind. Michas Kolumne könnt Ihr Euch auch im aktuellen Magazin vom Port01 lesen.
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